Palliativmedizin - Was ist damit gemeint?
Sich vom Leben zu verabschieden, ist schwer. Die Palliativmedizin will Menschen mit unheilbaren Erkrankungen die verbleibende Lebenszeit erleichtern. Im Vordergrund steht nicht, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.
Spätestens, wenn die medizinischen Möglichkeiten zur Heilung einer Krankheit ausgeschöpft sind und die Lebenserwartung nur noch begrenzt ist, beginnt die Palliativmedizin. Das wichtigste Ziel der Palliation ist es, die Beschwerden zu lindern und eine höchstmögliche Lebensqualität für die Patienten zu erreichen. Dazu gehört auch, in Absprache mit dem Kranken auf eine möglicherweise lebensverlängernde Therapie zu verzichten, wenn diese mit unverhältnismäßigem Leiden einhergehen würde. Palliativ denken heißt, das Leben grundsätzlich zu bejahen und dennoch den Tod als einen natürlichen Prozess zu akzeptieren.
Was bedeutet „palliativ“? Der Begriff Palliativmedizin stammt von dem lateinischen Wort „palliare“, zu Deutsch „mit einem Mantel umhüllen“. Er zielt damit auf den beschützenden, umsorgenden Gedanken, dem die Palliativmedizin entspringt.
Mehr als Sterbebegleitung
Palliativmedizin beschränkt sich nicht auf die letzte Lebensphase. Auch wenn ein schwerkranker Mensch unter Umständen noch Jahre lebt, können palliative Prinzipien ihm vom Zeitpunkt der Diagnosestellung an zu mehr Lebensqualität und möglichst wenig Schmerzen und Ängsten verhelfen. Ebenso ist es aber in vielen Fällen auch möglich, palliative Ansätze begleitend zu einer auf Heilung ausgerichteten Therapie anzuwenden.
Schmerzen lindern und begleiten
Wesentlicher Bestandteil der Palliativmedizin ist die bestmögliche Linderung der körperlichen Beschwerden – beispielsweise durch eine ausgeklügelte Schmerztherapie sowie Linderung von Übelkeit oder Atemnot. In dieser Hinsicht hat die Palliativmedizin in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht.
Ebenso wichtig wie die körperliche Versorgung ist die psychosoziale und oft auch die spirituelle Begleitung im Rahmen der Palliativmedizin. Hier helfen die Betreuer dem Patienten, das Unabänderliche zu akzeptieren, seinen Frieden mit dem eigenen Schicksal zu schließen und die Angst vor Schmerzen und dem Sterben in den Griff zu bekommen.
Palliativmedizin ist immer Teamarbeit. Ärzte, Pflegepersonal, Sozialarbeiter, Psychologen, Physiotherapeuten und Seelsorger arbeiten zusammen, um die Kranken umfassend zu betreuen. Sie werden häufig von ehrenamtlichen Mitarbeitern unterstützt, die besonders in der Sterbebegleitung ausgebildet sind.
Platz in der palliativen Betreuung haben auch die Sorgen der Patienten um ihre Angehörigen. Beispielsweise darum, wie die Familie ohne sie zurechtkommt – psychisch, aber vielleicht auch finanziell. Hier können konkrete Hilfsangebote den Patienten und seine Angehörigen entlasten.
Die Palliativmedizin unterstützt die Patienten, ihr Leben so aktiv wie möglich bis zum Tod zu gestalten. Im weiteren Sinne gehört zur Palliativmedizin auch, positive Erlebnisse zu ermöglichen. Einfach in den Himmel schauen. Sonne und Wind auf der Haut spüren. Ein geliebtes Musikstück hören. Mit der Katze kuscheln. Sich von einem lieben Menschen verabschieden.
Angehörige in der Palliativmedizin
Auch die Angehörigen werden palliativ begleitet. Das hilft schließlich auch dem Patienten - die psychische Stabilität der Angehörigen, ihr Umgang mit dem Kranken sind für sein Wohlergehen wichtig. Die Palliativmedizin unterstützt die Angehörigen während der Erkrankung des Patienten, während der Sterbephase und in der Trauerzeit. Im Idealfall gelingt es, das Sterben als natürlichen Prozess und Teil des Lebens zu akzeptieren.
Betreuung in der Sterbephase
Wenn der Tod absehbar wird, ist es Aufgabe der Palliativmedizin, dem Patienten ein friedliches Sterben in Würde zu ermöglichen. Auch in der letzten Phase des Lebens geht es darum, die Symptome zu kontrollieren und das Leiden möglichst gering zu halten.
Und natürlich geht es in der Palliativversorgung auch darum, die Angehörigen in der Phase des Abschieds emotional zu unterstützen. Für sie ist es beispielsweise wichtig, auf die Veränderungen vorbereitet zu sein, die im Sterbeprozess auftreten können.
Stationäre Palliativmedizin
In Hospizen und in Palliativabteilungen der Krankenhäuser werden Menschen mit weit fortgeschrittenen, lebenslimitierenden Erkrankungen stationär betreut. Ziel ist es, die Patienten in die Hände von Betreuern zu geben, die mit den aktuellen Standards der Palliativmedizin vertraut sind. In manchen Kliniken haben sich auch sogenannte Konsiliardienste gebildet, die die Kranken auf den jeweiligen Stationen palliativ betreuen. In vielen Fällen ist es möglich, die Patienten soweit zu stabilisieren, dass sie wieder ambulant behandelt werden können. Ist das nicht möglich, erfolgt auch in der Klinik eine Sterbebegleitung.
Ambulante Palliativmedizin
Die meisten Menschen wünschen sich, in einer vertrauten Umgebung und im Kreise ihrer Lieben sterben zu können. Ermöglicht wird das im Rahmen der ambulanten Palliativmedizin. Dabei betreuen in der Regel niedergelassene Ärzte, ambulante Pflegedienste und ehrenamtliche Helfer die Patienten. Oft ist das sogar dann möglich, wenn die Patienten eine besonders aufwendige und intensive Betreuung benötigen. In der sogenannten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) arbeiten Ärzte und Pflegedienste in einem Palliative Care Team (PCT) zusammen. Sie sind palliativ speziell ausgebildet und koordinieren die Behandlung rund um die Uhr. So lassen sich auch in komplexeren Fällen Schmerzen und belastende Symptome beherrschen.
Entwicklung der Palliativmedizin
Die Palliativmedizin gilt als vergleichsweise junge Disziplin. Dabei wird von einer „cura palliativa“ bereits im 16. Jahrhundert berichtet. Um 1800 wurde der Begriff „Palliativ-Kur“ umgangssprachlich verwendet. Im 19. Jahrhundert entstanden dann in einigen europäischen Städten erste hospizähnliche stationäre Einrichtungen, die sich um Sterbende kümmerten. Erste wichtige Vertreter einer modernen Palliativversorgung waren die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross, die den Sterbeprozess psychologisch beleuchtete, die Krankenschwester Cecily Saunders, die in den 1960er-Jahren in London ein Sterbehospiz gründete, und Balfour Mount, der in den 1970er-Jahren eine palliativmedizinische Station in Montreal einrichtete.
Palliativversorgung in Deutschland heute
In den letzten Jahren ist die Palliativmedizin in Deutschland erheblich ausgebaut worden. Noch ist die Versorgung aber nicht flächendeckend. Durchschnittlich stehen derzeit (in stationären Hospizen und Palliativ-Stationen) in Deutschland etwa 40 Betten pro eine Million Einwohner zur Verfügung. Experten schätzen, dass mindestens 50 Betten je eine Million Einwohner gebraucht werden. Internationale Untersuchungen gehen sogar von einem Palliativ-Bedarf von 80 bis 100 Betten aus. Vor allem kleinere Krankenhäuser haben derzeit häufig noch keine Palliativstationen.
Auch in der ambulanten Palliativ-Pflege gibt es noch Lücken, insbesondere im Bereich der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Die Versorgung ist zudem von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und in ländlichen Regionen problematisch.
Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung, der Anfang November 2015 mit breiter Mehrheit vom Parlament beschlossen wurde, trägt dam Rechnung. Sowohl die ambulante, als auch die stationäre Versorgung Schwerstkranker und Sterbender soll flächendeckend ausgebaut werden.
Aus diesem Grund ist die letzte Lebensphase noch immer für viel zu viele Menschen in Deutschland mit unnötigem Leid verbunden. Und da die Menschen immer älter werden und deshalb beispielsweise auch die Zahl der Krebserkrankungen steigen, werden in Zukunft noch mehr Betten für Palliativmedizin benötigt.
Quellen:
Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V.
Melching: Entwicklungsstand und Struktur der palliativmedizinischen Versorgung in Deutschland